SACHVERSTÄNDIGENBÜRO FÜR MASCHINENSICHERHEIT

Dipl.-Ing. Ferenc Varga
Ingenieur für Anlagenbetriebstechnik, Sicherheitsingenieur
Fritz Flinte Ring 91, D-22309 Hamburg
Tel./Fax 040/632 20 55

5. Referate/Thema Nr. 1

1. Zur Person 2. Maschinen 3. Konditionen 4. Qualitätssicherung
Startseite 6. Spiel+Spass 7. Über uns 8. Copyright
  1. Fragen und Antworten zur Gefahrenanalyse und zur technischen Dokumentation im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG

  2. Sichere Maschinensteuerungen: eine praktische Betrachtung der Steuerungskategorien nach EN 954-1

  3. Prüfung von "Altmaschinen" nach der Betriebssicherheitsverordnung gemäß § 7 Absatz 2 Ziffer 2 durch beispielhafte Auswertung von Fehlerbildern


Thema Nr. 1: Fragen und Antworten zur Gefahrenanalyse und zur technischen Dokumentation im Sinne der EG-Maschinenrichtlinie 98/37/EG

Frage 1: Kann bei der Anwendung einer C-Norm auf die Gefahrenanalyse verzichtet werden?

Antwort zu Frage 1:

Wortlaut der Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang I Vorbemerkungen Ziffer 3 Absatz 3- Zitat: "Der Hersteller ist verpflichtet eine Gefahrenanalyse vorzunehmen, um alle mit seiner Maschine verbundenen Gefahren zu ermitteln; er muß die Maschine dann unter Berücksichtigung seiner Analyse entwerfen und bauen."

Die Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der Europäischen Kommission freigegebene Fragen und Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie, Stand 10/98, Antwort 73- Zitat: "Der Maschinenhersteller muß stets eine Gefahrenanalyse durchführen. Soweit C-Normen bestehen, kann der Hersteller sie bei der Analyse bestimmter (oder aller) Gefahren anwenden."

Antwort des Verfassers: Die C-Norm ist das offizielle Ergebnis der Gefahrenanalyse/ Risikobeurteilung für eine bestimmte Maschine, z.B. gemäß EN 12100, EN 1050 (A-Normen, Grundnormen) und der EN 954 (B-Norm, Gruppennorm). Die Auffassung der Europäischen Kommission ist aus heutiger Sicht irreführend, denn die maschinenspezifische C-Norm (Produktnorm) geht den A- und B-Normen in jedem Fall vor. Das heißt, sollte die Gefahrenanalyse gemäß A- und B-Normen ein anderes Ergebnis als die C-Norm liefern, wird man die Richtlinie 98/37/EG nicht erfüllen können, da die C-Norm gegenüber den A- und B-Normen Vorrang hat.
Die richtige Antwort muß also lauten: Der Maschinenhersteller muß stets die C-Norm (oder gleichwertige Maßnahmen) anwenden. Soweit Gefahren bestehen, die von der C-Norm nicht erfasst werden, muß er auch eine Gefahrenanalyse für diese Restgefahren durchführen.
Hinweis:
Eine C-Norm kann nicht sämtliche Gefahren einer Maschinengattung erfassen und dabei tagesaktuell gehalten werden. Der Gesetzgeber muß ja auch die technische Entwicklung, die Vielfalt der Anwendungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die langen Durchlaufzeiten der Normensetzer bei der Überarbeitung der Normen, berücksichtigen. Es wäre nicht im Sinne der Sicherheit, wenn jemand behaupten könnte, daß alles was nicht unter den spezifischen Gefahren einer bestimmten Maschine gemäß C-Norm genannt ist, ungefährlich sei.


Frage 2: Muß der Maschinenhersteller die Durchführung der Gefahrenanalyse dokumentieren?

Antwort zu Frage 2:

Der Verfasser: In der EG-Maschinenrichtlinie befindet sich kein Hinweis auf eine Verpflichtung zur schriftlichen Dokumentation der Gefahrenanalyse gemäß Anhang I Vorbemerkung 3 Absatz 3.
Bitte, bedenken Sie folgendes: ohne die vorhandenen Gefahren zu kennen, wird der Entwurf einer jeglichen Schutzeinrichtung nicht möglich sein. Die sicherheitstechnische Ausrüstung einer Maschine stellt ja das Ergebnis der Gefahrenanalyse dar. Der Fachmann kann anhand der Sicherheitsausrüstung einer jeden Maschine die Durchführung der Gefahrenanalyse nachvollziehen.
Wenn Sie so wollen, die Maschinenbeschreibung bzw. die Maschine selbst ist die Dokumentation der Gefahrenanalyse.


Frage 3: Einige Prüfstellen verlangen trotzdem eine schriftliche Gefahrenanalyse. Warum?

Antwort zu Frage 3:

Der Verfasser: Es ist ein gutes Recht einer jeden Prüfstelle als hausinterne Forderung eine dokumentierte Gefahrenanalyse zu verlangen.
Durch die Vorlage einer vom Maschinenhersteller erstellten Gefahrenanalyse wird eine Maschinenprüfung für die externe Stelle technisch einfacher und haftungsrechtlich günstiger sein. Bei der Vielfalt und Schnelligkeit der technischen Entwicklung unserer Zeit ist das durchaus verständlich.


Frage 4: Es erscheint nicht plausibel, warum neben der Erklärung des Herstellers auch Maschinenbegleitunterlagen (Betriebsanleitung und Dokumentation) -die zusätzliche Kosten verursachen- mit zum Lieferumfang gehören sollen?

Antwort zu Frage 4:

Wortlaut der Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang I Ziffer 1.7.4 a) ff.- Zitat: "Jede Maschine muß mit einer Betriebsanleitung mit den folgenden Mindestangaben versehen sein..."

Die Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der Europäischen Kommission freigegebene Fragen und Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie, Stand 10/98, Antwort 4- Zitat: "...In Nr. 1.7.4 des Anhangs I wird für Maschinen eine Betriebsanleitung gefordert. ... Die erforderliche Dokumentation, die sich aus Anhang V ergibt, gehört nicht zum Lieferumfang; Stücklisten und Zeichnungen verbleiben wie eh und je beim Hersteller."

Antwort des Verfassers: Eine Betriebsanleitung gemäß Anhang I Ziffer 1.7.4 muß stets erstellt und mitgeliefert werden. Die Lieferung von technischer Dokumentation, wie Schaltplänen und Stücklisten, sollte im Bedarfsfall privatrechtlich sichergestellt werden.


Frage 5: In Ziffer 3 Anhang V wird eine technische Dokumentation bestehend aus dem Gesamtplan der Maschine, Berechnungen, Versuchsergebnissen, div. Listen, Qualitätssicherungsnachweisen usw. gefordert. Werden durch die Erstellung dieser umfangreichen Unterlagen die Klein- und Mittelbetriebe nicht unnötig belastet?

Antwort zu Frage 5:

Wortlaut der Richtlinie 98/37/EG: -siehe Anhang V Ziffer 4 a) und Ziffer 3 letzter Absatz - Zitat 1: "Die unter Nummer 3 genannten Unterlagen brauchen nicht ständig und tatsächlich vorhanden zu sein, müssen jedoch innerhalb eines Zeitraums, der der Wichtigkeit der Unterlage zu entsprechen hat, zusammengestellt und zur Verfügung gestellt werden können."
Zitat 2:
"... auf gebührend begründetes Verlangen der zuständigen nationalen Behörde ..."

Die Dienststellen der Europäischen Kommission vertreten folgende Auffassung: -siehe: Bisher von der Europäischen Kommission freigegebene Fragen und Antworten zur Interpretation der EG-Maschinenrichtlinie, Stand 10/98, Antwort 63- Zitat: "Die technischen Unterlagen müssen nur auf begründeten Antrag hin vorgelegt werden. Das heißt, daß der Hersteller lediglich die Teile der Unterlagen liefern muß, die für den jeweiligen Antrag relevant sein können." (siehe auch Frage 4)

Antwort des Verfassers: Die technischen Unterlagen nach Ziffer 3 Anhang V brauchen nicht ständig und tatsächlich vorhanden zu sein, müssen jedoch auf einen gebührend begründeten Antrag (z.B. laufendes Rechtsverfahren wg. Unfall) der zuständigen nationalen Behörde (in Deutschland ist das Amt für Gewerbeaufsicht zuständig), innerhalb einer angemessenen Frist, nur zum antragsrelevanten Teil, vorgelegt werden können.


Frage 6: Das ständige und tatsächliche Vorhandensein der in Ziffer 3 Anhang V genannten Unterlagen wird also unter Ziffer 4 a) verneint. Antragsrelevante Teile der Unterlagen müssen jedoch (in einem nach unserer Statistik sehr unwahrscheinlichen Fall) vorgelegt werden können. Warum formuliert man so kompliziert?

Antwort zu Frage 6:

Der Verfasser: Die Aussage von Nummer 4 a) in Verbindung mit Nummer 3 des Anhangs V stellt im wesentlichen die Umkehr der Beweislast dar. Seit dem Inkrafttreten der Richtlinie muß der Maschinenhersteller den juristischen Beweis für die Richtigkeit seiner Handlungen erbringen können (z.B. im Falle einer Gerichtsverhandlung).
Neben der persönlichen Haftung (Konformitätserklärung) ist die Beweislastumkehr eine der wichtigsten juristischen Neuerungen der EG-Maschinenrichtlinie.
Ferner müssen Sie bedenken, daß die Richtlinie 98/37/EG das Ergebnis langwieriger Verhandlungen der Mitgliedsstaaten ist. Die Einarbeitung der ausgehandelten Kompromisse, eine Reihe von Übersetzungsfehlern und unklaren Formulierungen haben zur Übersichtlichkeit nicht gerade beigetragen.
Da über einige Sachverhalte (z.B. Anwendungsbereich) heute noch Auffassungsunterschiede innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bestehen, ist der Anwender gut beraten, die Originaltexte der Richtlinie in der jeweiligen EG-Amtssprache zu studieren.
Auf Meinungen und Interpretationen der einschlägigen Literatur sollte man weitgehend verzichten.